Ortenburgs Anfänge in Dissertation neu ergründet

Passend zum Jahresabschluss dürfen wir noch eine erfreuliche Nachricht für die Ortenburg-Forschung vermelden. Thomas Vogler legte seine Abschlussprüfung an der Karl-Franzens-Universität Graz erfolgreich ab und darf sich jetzt Doktor der Geschichtswissenschaften nennen. Seine mit lokaler Unterstützung erstellte, 245-seitige Arbeit trägt den Titel Im Spannungsfeld zwischen offener Verfassung und „gestalteter Verdichtung“. Eine forschungsgeschichtlich motivierte Annäherung zu den Ursprüngen der Territorialisierung der ehemaligen Reichsgrafschaft Ortenburg bei Passau.

Im Interview mit Doris vom Team Ortenburgica berichtet der frischgebackene Doktor, wie es ihm bei seiner Arbeit ergangen ist, welche Herausforderungen er zu meistern hatte und welche Erkenntnisse für ihn von besonderer Bedeutung waren.


Ortenburgica: Wie lange hast du dich mit dem Thema beschäftigt?

Dr. Vogler: Der Entwicklungsgang der Dissertation (von den ersten allgemeinen Recherchen zur Geschichte Ortenburgs über die konkrete Themenfindung bis zur Fertigstellung und offiziellen Einreichung im Jänner 2021) erstreckte sich über einen Zeitraum von ca. vier Jahren.


Ortenburgica: Was hat dein Interesse am Thema geweckt, da du ja erst einmal keinen Ortsbezug hattest?

Dr. Vogler: Ehrlich gestanden war dafür Glück im Unglück verantwortlich. Zur Erklärung muss ich etwas ausholen: In den beiden ersten Jahren meines Doktorats (also bis in das Jahr 2017 hinein) beschäftigte ich mich mit dem Steirischen Straßenwesen im Eisenbahnzeitalter, kam dabei jedoch nur schleppend voran. In der Konsequenz stand ich kurz vor der Aufgabe des Studiums und liebäugelte bereits mit einer Karriere in der Privatwirtschaft. Erst durch einen Bekannten wurde ich von dieser Entscheidung abgehalten. Er vermittelte ein Treffen mit Günther [Bernhard, Prof. Dr.], der mir schließlich das Thema „Territorialisierung der ehemaligen Reichsgrafschaft Ortenburg bei Passau“ vorschlug.


Ortenburgica: Worin bestand deine größte Herauforderung?

Dr. Vogler: Es gab sehr viele Herausforderungen. Ich denke aber, dass die größte Schwierigkeit im Themenwechsel an sich bestand, der mehr einem Fachwechsel glich. Denn von einem Thema, das dem Fach „Neuere Geschichte“ zugeordnet werden kann, wechselte ich zu einem Gegenstand, der eindeutig dem „Mittelalter“ angehört. Dementsprechend musste ich mir vor dem eigentlichen Dissertationsprojekt ein Wissensfundament erarbeiten, das neben der reichhaltigen Geschichte Ortenburgs insbesondere das Themenfeld „Territorialisierung“ umfasste.


Ortenburgica: Was waren deine ausgesprochenen Wow-Momente?

Dr. Vogler: Am meisten beeindruckt hat mich die Erkenntnis, dass die Entstehung Ortenburgs (dem Zeitraum 1120/33 zuzuordnen) in den größeren reichspolitischen Entwicklungen jener Zeit eingebettet lag, ja mehr noch, dass der Familienverband, dem der Gründer Ortenburgs, Graf Rapoto von Ortenburg († 1186), angehörte, diese entscheidend mitgestaltete. Ich darf in diesem Zusammenhang z.B. auf das Wormser Konkordat 1122 verweisen, das den Investiturstreit, also den Konflikt zwischen Königtum und Papstum, beendete und durch seine friedensstiftende Wirkung günstige Voraussetzungen für die Errichtung Ortenburgs schuf. An der Entstehung dieses Vertragswerkes waren zumindest drei direkte Verwandte des ersten Ortenburgers beteiligt: der Vater, Engelbert II. von Spanheim († 1141), Markgraf von Istrien und späterer Herzog von Kärnten, ein Onkel väterlicherseits, Bischof Hartwig von Regensburg († 1126), und ein Großonkel mütterlicherseits, Bischof Hermann von Augsburg († 1133).


Ortenburgica: Wenn du weiterforschen könntest, welcher Forschungsfrage würdest du dich widmen?

Dr. Vogler: Ich würde mich mit der Frage auseinandersetzen, wie es den Grafen von Ortenburg nach der sogenannten „Ortenburger Katastrophe“ in der Mitte des 13. Jahrhunderts gelang, kaum 200 Jahre danach (1431) die Reichsunmittelbarkeit zu erwerben. Denn das Grafengeschlecht war nach der erwähnten „Katastrophe“, die durch innerfamiliäre Streitigkeiten ausgelöst wurde, eigentlich unter die Landsässigkeit der bayerischen Herzöge gefallen. Umso erstaunlicher erscheint mir daher dieser „Ausbruch“ der Ortenburger aus der Botmäßigkeit der Wittelsbacher, der die rechtmäßige Einführung des reformierten Glaubens in Ortenburg ab dem Jahr 1563 erst möglich machte, und damit zur Identitätsstiftung der heutigen Marktgemeinde erheblich beitrug.


Ortenburgica: Vielen Dank für deine Ausführungen und nochmals herzlichen Glückwunsch zur bestandenen Prüfung.